14.08.2015
Das Pferd zum Schweigen bringen
Wie sich zu eng verschnalle Nasenriemen auf das Pferd auswirken
Vielerorts ist es noch immer gang und gebe: Nasen- und Sperrriemen werden so fest zugeschnallt, wie es nur geht. In vielen Ställen gibt es kaum ein Lederriemchen, das auch nur angehend locker sitzt. Das, obwohl das Zuschnüren des Mauls nicht nur eine seelische Tortur fürs Pferd darstellt – es sorgt auch dafür, dass sich der gesamte Körper verspannt.
Als Kathrin Kienapfel, Studentin am Institut für Zoologie und Neurobiologie an der Ruhr-Universität in Bochum, für eine Studie ein großes nationales Turnier besuchte, war sie frohen Mutes: „Ich dachte mir, dass enge Verschnallungen vielleicht auf Wald- und Wiesenturnieren anzutreffen sind.“ Bei den größeren Events rechnete sie aber mit mehr Kompetenz der Reiter. Weit gefehlt: „Die allerwenigsten hatten die Trense ordnungsgemäß verschnallt“, berichtet sie. Sie beobachtet die Stewards, die für die Kontrolle von Zaum und Gebiss abgestellt waren. „Die Richter kontrollierten die Reithalfter, indem sie seitlich mit zwei Fingern in den Sperrriemen fassten und dessen Festigkeit überprüften. Auf die Frage, warum denn nur der Sperrriemen kontrolliert werde, wurde geantwortet, dass ja das Reithalfter viel zu weit hinten liege und deswegen keinen Einfluss auf das Pferd hätte, auch wenn es fest verschnallt wäre.“
Nachdem die damalige Studentin vom Bundeschampionat zurückkehrte, beschloss sie gemeinsam mit ihrem Mentor Professor Holger Preuschoft, eine Studie zum Thema eng verschnallte Nasenriemen durchzuführen. Dabei beriefen sich die Forscher sowohl auf die einstigen Vorgaben der Heeresdienstvorschrift von 1937 als auch auf die heutigen Richtlinien der FN. Damals wie heute wird dem Pferd Maulfreiheit zugestanden – das Pferd muss kauen können. In ihrer Studie heißt es: „Der Zweck jedes Reithalfters besteht darin, das Aufsperren des Mauls zu begrenzen, damit sich das Pferd nicht den Zügeleinwirkungen entziehen kann. Leider muss man immer wieder beobachten, dass diese Nasenriemen mit aller Kraft zugeschnürt werden. Das ist nicht nur sinnlos, sondern ein Fall für den Tierschutz.“ Zudem verstoße das enge Zuschnüren gegen die eindeutigen, theoretisch überall anerkannten Regeln. In der Heeresdienstvorschrift findet sich die Vorgabe, nach der „der Kinnriemen nur so eng geschnallt sein soll, dass das Pferd noch kauen kann“. In den Richtlinien für Reiten und Fahren, Band 1, gibt es die Regel, nach welcher der Kinnriemen unterhalb des Trensengebisses so geschnallt wird, dass zwischen ihm und den Kieferkörpern im Bereich der Laden des Pferdes etwa zwei Finger breit Platz ist. Die Atmung des Pferdes darf auf keinen Fall eingeschränkt sein.
Doch obwohl die Vorgaben eindeutig sind: Beachtung finden sie nur sehr selten. Fest verschnallte Nasenriemen scheinen den Reitern nicht nur mutmaßlich mehr Sicherheit zu geben, sondern bewahren sie auch davor, dass die Pferde das Maul bei zu harter Handeinwirkung unschön aufsperren können – ein ganz natürlicher Reflex, wenn zu viel Druck entsteht. „Wirkt die Hand so ein, wie von den alten Reitmeistern angestrebt, wird kein Pferd das Maul aufsperren“, ist Professor Preuschoft überzeugt. „Aber ohne Nasenriemen zu reiten ist natürlich auch ein Offenbarungseid.“ Seine Schülerin Kathrin Kienapfel ritt alle ihre Pferde ohne Nasenriemen, bis sie ein junges Pferd anritt, das das Gebiss so gar nicht akzeptieren mochte. „Vom ersten Moment an war das Gebiss ein Störfaktor im Maul“, erinnert sie sich. Unterm Sattel sperrte das Pferd das Maul bei der kleinsten Einwirkung auf. „Meine Reitlehrerin riet mir, einen Nasenriemen zu verwenden, damit es nicht zur Gewohnheit würde.“ Sie habe sich sehr schwer mit der Entscheidung getan, schließlich aber doch einen Nasenriemen verwendet, „der so locker war, dass er fast schlackerte.“ Denn, das sah sie ein, ihr Pferd musste erst einmal lernen, das Gebiss zu akzeptieren, ohne der Zügelhilfe durchs Aufsperren des Mauls entweichen zu können. „Ich bin einige Wochen mit Nasenriemen geritten, danach hatte sich das Thema erledigt und ich konnte ihn weglassen“, berichtet sie.
Autor: Andrea Zachrau
Den gesamten Artikel lesen Sie in der Ausgabe 3/2015.
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