13.07.2017

Plötzlich ist es warm

Zweimal jährlich gibt es unter uns Reiterleuten so ein merkwürdiges Phänomen: Im Sommer ist es plötzlich ziemlich warm und im Winter ist es plötzlich ziemlich kalt. Natürlich kommt so ein Wetterumschwung total überraschend und nicht mal ein Blick in den Kalender kann uns davor warnen...

Da stehen wir dann also plötzlich bei 30 Grad auf der Weide und stellen fest, dass eines der Pferde - wahrscheinlich meins - schon wieder den Wasserbottich umgeschmissen hat. Vielleicht hat das Internet ja eine passende Lösung parat, um das zukünftig zu verhindern, damit ich eben nicht bei 30 Grad und praller Sonne kanisterweise Wasser schleppen muss. Anstelle ein paar hilfreicher Tipps zu bekommen, bin ich jetzt für die nächsten zwei Wochen aber erst mal komplett ausgebucht: Ich muss den Osteopathen kommen lassen, weil mein Pferd anscheinend was am Rücken hat und deshalb tritt es vor lauter Schmerzen gegen den Bottich, dann muss ich noch Jemanden für eine Tierkommunikation finden, weil mein Pferd anscheinend ein tiefsitzendes Wassertrauma hat und deswegen des Anblick des gefülltes Bottichs nicht ertragen kann und zukünftig muss ich auch noch zweimal am Tag mit meinem Pferd Bodenarbeit machen – Nicht. Also schleppe ich erst mal nach wie vor täglich Wasserkanister zur Weide. Und um mich dann auch noch gänzlich unbeliebt zu machen im WWW, poste ich sogar noch Bilder von meiner letzten Reitstunde. Klingt erst mal nicht schlimm, aber wenn man genau hinsieht, steht am Himmel so ein komisches gelbes, großes Ding, das die Erde ganz schön aufheizt. Und wenn man noch genauer hinschaut, sieht man sogar mein schwitzendes Pferd. Die meckernden Stimmen kann ich fast schon durch meinen Computer hören, was mir einfallen würde bei dem Wetter zu reiten und ich würde ja auch nicht freiwillig hart schuften. Bevor ich die ganzen Kommentare aber lese, gehe ich erst mal duschen – ich war nämlich gerade joggen. Am nächsten Tag komme ich sogar auf die verrückte Idee, mein Pferd nach dem Reiten zu waschen. Ganz böse und grenzt eigentlich fast schon an Tierquälerei. Warum das so ist, kann mir aber keiner so recht sagen. Aber prinzipiell weiß ja Jeder, dass Wasser schädlich ist – das wäscht nämlich Gehirnzellen weg.

 Am aller schlimmsten sind aber noch die Turnierreiter! Die gönnen ihren Pferden ja nicht mal die Ruhezeiten und scheuchen sie einfach so morgens um fünf Uhr aus ihren Boxen und fahren mit den armen Tieren zum nächsten Turnier und das, obwohl für diesen Tag 27 Grad angesagt wurden! Weiß ja jeder, dass die Temperatur auf den Abreiteplätzen und vor allem auch während der Prüfung ganz rapide ansteigt und prinzipiell noch viel höher ist, als im heimatlichen Stall.

Wenn ich genau überlege, sind die Diskussionen zu jeder Jahreszeit irgendwie gleich. Entweder friert das Wasser ein oder es ist ständig leer. Entweder ist der Platz gefroren oder zu nass oder zu staubig. Entweder ist es zu kalt zum Reiten oder es ist zu warm. Entweder ist das Reiten bei heißen Temperaturen schädlich oder das Stehenlassen, wenn es kalt ist.

Theoretisch würde es ein ziemlich ödes Leben mit Pferd sein,  wenn man auf das alles Rücksicht nehmen müsste. Wofür hab ich denn ein Pferd, wenn ich nicht auch im Sommer reiten kann? Was gibt es im Sommer tolleres, als tagsüber zum See zu reiten und mit dem Pferd im Wasser zu planschen oder auch lässig zur Eisdiele einen Ort weiter? Oh, hab ich das grad' wirklich gesagt, dass ich ein Pferd habe, um es zu reiten? Shame on me. Natürlich hab ich ein Pferd, um damit Bodenarbeit zu machen. 24 Stunden am Tag. 7 Tage die Woche. 52 Wochen im Jahr.

Eure Lorella