16.05.2017
Der Pferdeführerschein
"Schau einfach nicht hin" ist leichter gesagt als getan. Hier wird mit unpassendem Sattel geritten, dort kauft sich der Reitanfänger eine Kandare, weil es 'so schön' aussieht und auf der Nachbarwiese wird der Eselhengst mit der Shettystute zusammen gestellt. Wir Reiter werden permanent mit einer geballten Ladung an Unwissenheit konfrontiert - einzig logische Konsequenz: Der Pferdeführerschein muss her!
Immer wieder kommen mir Reiter und Pferdebesitzer unter, über die ich eigentlich nur mit dem Kopf schütteln kann. Das geht schon mit dem Pferdekauf los: Nicht älter als acht Jahre, aber total brav im Umgang. Mindestens schon auf L-Niveau geritten, aber Anfänger geeignet. Möglichst kern gesund, möglichst in lackschwarz, möglichst mit passendem Zubehör, aber insgesamt sollte das Traumpferd nicht mehr als 2000 Euro kosten. Das erste Problem: Dieses Wunschpferd gibt es nicht. Das zweite Problem: Dann wird halt was Anderes gekauft - Ebay oder der Bauer von nebenan haben bestimmt noch ein vier jähriges Pferd auf Lager, auf das keine einzige der oben genannten Kriterien zu trifft, außer vielleicht die Farbe. Also Pferd kaufen (140 cm, angeritten), Stall suchen und den Longen-Reitunterricht kündigen und schon kann der Spaß losgehen! Der Sattel wurde natürlich gleich mit bestellt, ebenso wie eine Trense, Gebiss, Putzzeug, Bandagen, Mähnengummis und tonnenweise Zusatzfutter. Für was das alle gut ist, weiß der frisch gebackene Pferdebesitzer meist selbst nicht und wie es angewendet wird, schon gar nicht. Ein 'Pferdestarterset' sozusagen. Da fühlt er sich schon gleich als echter Könner, wenn die neuen Sachen mit in den Stall gebracht werden und mit dem Metallstriegel ganz fachmännisch versucht wird, den Schmutz vom Pferdekopf zu lösen. Sattel drauf und ab in die Halle - ohne Kappe versteht sich. "Schau einfach nicht hin", sage ich mir, aber das ist leichter gesagt als getan, wenn sich Pferd oder Reiter in Gefahr befinden.
Die Weidesaison rückt immer näher und die Zeit des Anweidens wird Tag für Tag verlängert. Da liegt das Pferdchen dann abends beim Füttern in der Box und steht nicht mal auf, als der Hafer in den Trog gekippt wird. Aber nein, das ist natürlich nicht besorgniserregend. Das wird dann als "Awwwww, ist das süß! Mein Pferdchen schläft" abgetan. Mir hingegen drängt sich nur eine Frage auf:
"Atmet das Pferdchen noch? Sieht nach Kolik aus."
Die einzige Gegenfrage, die ich darauf bekomme ist lediglich "Was ist Kolik?" - wieder so ein Kopfschüttel-Haare-rauf-Moment.
Es gibt den KFZ-Führerschein, den Jagdschein, den Paragliding-Schein, den Hunde-Führerschein, aber warum denn keinen Führerschein für Pferde? Ein Laie kann mit einem Pferd genauso schlimme Unfälle verursachen, wie mit einem Auto. Der Unterschied ist nur, das Pferd leidet, wenn man sich nicht vernünftig kümmert - das Auto hingegen rostet im schlimmsten Fall nur. Das Prinzip der Reitabzeichen deckt die Möglichkeiten einer pferdegemäßen Behandlung zwar gut ab, aber es gibt leider keine Pflicht, die Abzeichen abzulegen. Zumindest der Basispass-Pferdekunde könnte doch die Grundlage zur Haltung eines Pferdes darstellen: Da wird wenigstens schon mal Grundsätzliches erklärt: Wo vorne und hinten ist, dass ein Pferd im Normalfall keine Haribos bekommen sollte, dass ein Sattel nicht länger sein sollte, als der Pferderücken, dass eine Garage nicht die optimale Unterbringung eines Pferdes darstellt, wie das Pferd vernünftig behandelt werden sollte und und und.
Damit wäre uns 'Normalos' jedenfalls schon mal geholfen. Dann können wir uns wieder ganz auf unser Pferd konzentrieren und müssen nicht immer in Habachtstellung sein, falls mal wieder Jemand die Wurmkur in die falsche Öffnung geben möchte.
Eure Lorella
